Urheberrecht: Frau Gaschkes gescheiterter Rechtfertigungsversuch

Liebe Frau Gaschke,

nach Lektüre Ihres Artikels (Zeit Online) muß ich Ihnen bescheinigen, dass Sie meiner Meinung nach nicht viel von der Materie oder den Streitpunkten verstanden haben und offenbar in einem Anflug von Zeitüberfluß durch Tröten in ein längst stumpfes Horn genau wie andere „Geschädigte“ versuchen, das schon in zwei Hälften zerbrochene Schiff des „Urheberrechts“ vom Meeresgrund zu bergen. Und ja, ich liebe Metaphern.

So nämlich läßt sich in einem kleinen Absatz zusammenfassen, wie das herkömmliche Urheberrecht in einer modernen Welt zurechtkommt. So läßt sich beschreiben, wie die Verantwortlichen es vor 10 Jahren völlig verschlafen haben, mit der Zeit der Digitalisierung zu gehen und Absatzmodelle und -Märkte zu schaffen. So läßt sich einsehen, weswegen unsere Gesellschaft sich die Freiheit nimmt, die ihr zusteht.

Doch lassen Sie mich von vorne beginnen. Früher, als es noch die Wochenshow gab und Marco Rima noch ein junger Mann war, da war die Welt noch in Ordnung. Man ging ins Kino (und hat sich oft geändert), man kaufte Printmedien (und hat sich manchmal geärgert) man besuchte den örtlichen Elektrogroßmarkt für neue Musik (und hat sich fast immer geärgert) und man konsumierte Fernsehn und Radio („… neeeeein, ein blaues Kleidchen für den Wauwau deiner Tante?? Das ist ja uuhuhuhuhuhuhuunglaublich! <dümmliches Gelächter hier>“ und konnte eigentlich nur heulen).

Was hat sich seitdem geändert? Nun, aus der DM wurde der T€uro, ein US-amerikanischer Präsident sorgte dafür, dass sich die „Welt weitergedreht“ hat (vielen Dank dafür an dieser Stelle), wir haben zum ersten mal einen weiblichen Bundeskanzler (Widerspruch in sich, vollkommen richtig) und, fast hätte ich’s vergessen, mal wieder gibt’s ne Wirtschaftkrise.

Was tat sich sonst? Eventuell in der „Medienbranche“? Nicht viel.

  • Noch immer versucht es die Musikindustrie mit herkömmlicher Absatzstrategie (Eintags-Talente, aufgewärmte Mahlzeiten, usw.), was natürlich in unserer heutigen Zeit zum Untergang verurteilt ist.
  • Noch immer habe ich im GEZahlten Fernsehen entweder Werbung, oder Werbung oder Werbung, moment…. hier gibt’s Werbung oder hier…. nochmal Werbung. Mit Nichten aber Kreativität, Pop oder Eigenleistung, welche einen Be(i)trag von 18 EUR pro Monat rechtfertigten. Das werbe- und quotenfinanzierte Privatfernsehen lohnt es sich an dieser Stelle wirklich nicht zu erwähnen.
  • Auch ein Blick in die Filmindustrie hinterläßt einen tristen Nachgeschmack. Wie schon zu Urzeiten verläßt man sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) auf das althergebrachte Rezept „Die besten Szenen in die Vorschau“. Der letzte „gute“ Film, den ich gesehen habe, ein richtiges Kunstwerk eben, war Herrn Jacksons LOTR-Trilogie; und das lag nicht an mangelndem Kinobesuch.
  • Die Spieleindustrie war da schlauer und versuchte es mit Kopierschutz. Nachdem in der Regel ein Spiel aber binnen eines einzigen Tages „geknackt“ ist, dürfte man diesen Versuch als gescheitert bezeichnen. Immerhin haben die aber ein besseres Argument, schließlich kann man sich ja eine „Demo“-Version des Inhaltes beschaffen.

Dennoch sollte man sich ehrlich fragen, ob man mit nur einer Demoversion oder der ersten Zeitungsseite oder dem „Anhören“ von Musiktiteln oder der Filmvorschau die Qualität des Produktes bewerten kann.

Die Antwort darauf ist ein klares NEIN. Wenn man ein Konsumgut kauft, so erhält man vorher alle Möglichkeiten der Prüfung der Ware, ja sogar eine Garantie der Fehlerfreiheit. Was ist bei Medienprodukten? Hat z.B. ein Computerspiel einen Fehler, so kann es Monate dauern, bis dieser behoben ist, wenn überhaupt. Die restlichen (minderwertigen) Titel auf dem gerade gekauften CD-Album kann man nicht umtauschen. Was für ein Pech. Für den Verbaucher, übrigens.

Ich könnte das einmal in Fragen zusammenfassen:

  1. Wie viele der Medien-Downloads gehen auf „legale“ Downloads zurück? Etwa von freien Künstlern und Produzenten, die ihr Geld mit der Ehrlichkeit der Menschen und nicht etwa mit GEMA-Sparverträgen verdienen?
  2. Warum kann ich nicht endlich, wenn mir ein Medienprodukt (Printmedium, CD, DVD, Buch, etc.) nicht gefällt, dieses zurückgeben? Warum kapiert ihr Marketing-Chefs nicht endlich, dass einzig und allein diese Geste des guten Willens (und „gute“ Produkte) euch noch retten können?
  3. Warum erhalte ich nicht endlich an der Kinokasse mein Geld zurück, wenn mir ein Film nicht gefallen hat?
  4. Warum bekomme ich nicht endlich wie in jeder anderen Branche üblich und gesetzlich vorgeschrieben, eine Geld-Zurück-Garantie für Medienprodukte?
  5. Warum hat noch kein Kartellamt die Monopolstellungen in der Medienwelt auseinandergenommen? Ein Künstler ist mit einem Werk bei einer Plattenfirma unter Vertrag, diese Plattenfirma diktiert die Preise. Vom Kinoverleih mal ganz zu schweigen. Das gehört zerlegt!
  6. Last but not Least: Diebstahl!? Entschuldigung, aber Diebstahl bedeutet, dass eine „bewegliche“ Sache einem anderen „weggenommen“ wird. Dem scheint hier ja nicht so zu sein. Die Werke sind auch nach dem Tauschen noch bei beiden Parteien vorhanden.

Nein, statt dessen wird über Lobby-Arbeit in Medien und Politik versucht, (Achtung Frau Gaschke, Ihr Text!) die neue Verbraucherkultur zu zerstören. Die vier Helden, die diese Kultur auszeichnen, niederzumachen. Die Verurteilung derjenigen mit genug Mumm in den Knochen, endlich einmal Veränderung herbeizuführen, als „gerecht“ darzustellen. Nun Frau Gaschke, dass der Vorsitzende offenbar eigene Interessen vertreten hat, haben Sie geflissentlich nicht erwähnt.

Filesharing auch -oder gerade- urheberrechtlich geschützter Werke kann und sollte deswegen als das Recht des Verbrauchers angesehen werden, eine Ware vor dem Kauf aus Herz und Nieren zu prüfen. Und sollte jemandem ein Musikalbum keine 20 EUR wert sein, wer weiß, vielleicht würde es ja für 5 gekauft.

Oder anders ausgedrückt, liebe Künstler und Autoren: Wenn Ihr Machwerk niemand zu Gesicht bekommen soll, dann behalten Sie’s bitte für sich. Ansonsten machen Sie Ihre Sache so gut, dass Sie die Konsumenten von Ihrer Arbeit überzeugen und diese sind gerne bereit, dafür Geld auszugeben. Aber das Recht, sich eine Sache vor dem Kauf sehr gründlich anzuschauen, das wird sich die Gesellschaft auch weiterhin nehmen.

PS: Der Heidelberger Appell ist deswegen unbedingt abzulehnen.

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