Werbewandel in Online-Medien

Inhaltsverzeichnis

 

Liebe Leserinnen und Leser,

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass Online-Medien vermehrt dazu übergehen, Werbung nicht mehr als solche zu kennzeichnen. Statt dessen werden die anzupreisenden Produkt-, Firmen-, oder Markennamen auf subtile Art und Weise in seriös klingende Artikel verpackt und dem Kunden untergeschoben. Das hat mehrere Gründe:

  1. Zunächst einmal kann eine Zeitung für eine ganzseitige Anzeige auf einen Schlag viel mehr Geld einnehmen als mit klickbasierter Werbung.
  2. Dann wirkt diese Form der Werbung besser, sie ist nämlich nicht mehr ohne weiteres von realer Werbung zu unterscheiden.
  3. Und zu guter Letzt sind die Benutzer vermehrt dazu übergegangen, „herkömmliche“ mit unterschiedlichen Tools aus Webseiten auszumerzen:
    • Generische Werberfilter-Proxy’s: Entfernen jede Art von Werbung (Flash, Java, Cookies, DHTML, Reine Bildwerbung, Textlinks)
    • Adblock Plus: Blockiert bestimmte HTML-Tags
    • NoScript: Blockiert Nachlade-Javascripts

1. Prominentes Beispiel Inhalt

Am Beispiel dieses Artikels möchte ich Herrn Tom Grünweg (designierter Redakteur) nun nachweisen, dass er eine schlicht falsche Tatsache zum Vorwand nimmt, seinem Arbeitgeber (hoffentlich) mehr Einnahmen zu bescheren.

Lassen Sie mich seine These(n) aus seiner Zusammenfassung („Abstract“) zitieren:

Seit der Staat den Autokauf mit 2500 Euro subventioniert, gehen die Zulassungszahlen durch die Decke. Die Autohäuser machen mit Neuwagen glänzende Geschäfte. Doch bei den Gebrauchten auf dem Hinterhof ist das Bild nicht ganz so strahlend.

Es sind drei Aussagen (hohe Zulassungzahlen, glänzende Geschäfte, Hinterhof strahlt nicht) enthalten, für die jegliche Quellen und absolute Angaben fehlen und deswegen nicht in einer seriösen Berichterstattung vorkommen dürften. Die letzteren beiden Thesen kann ich nicht widerlegen, denn was ist mit „den Autohäusern“ gemeint? Welche Marken? In welchem Land? Welche Hinterhöfe? Welche Gebrauchtwagenhändler? Welches Preissegment? Was bedeutet „nicht ganz so strahlend“ in absoluten Ziffern und Zahlen?

Die erste Aussage aber ist falsch und widerlegbar: nur aus Spaß an der Freude habe ich mich einmal beim Statistischen Bundesamt erkundigt, und interessanterweise dieses PDF (Verkehrsdaten vom März 2009) erhalten. Schlagen wir es einfach einmal auf Seite 80 (PDF-Seite 78) auf und sehen uns die Tabelle für bestehende Personenkraftfahrzeuge an. Ich habe den Graphen einmal links im Bild gezeichnet. Sollte also mit „Zulassungszahlen“ die Gesamtzahl aller zugelassenen Fahrzeuge gemeint sein, so kann das nicht stimmen; denn „durch die Decke“ geht da nichts. Anmerkung: Es gibt dafür aber auch keine Zahlen nach dem 1. Januar 2009; allein schon deswegen kann seine Aussage als falsch klassifiziert werden.

Vielleicht aber sind ja mit den „Zulassungszahlen“ die absoluten Neuzulassungen gemeint. Auch darauf hat das Bundesamt eine Antwort, blättern wir einfach zwei Seiten weiter und zeichnen wieder die Graphen. Stützen wir uns auf die vorhandenen Zahlen: Zunächst einmal können wir unschwer erkennen, dass die Anzahl der Neuzulassungen von 2000 an im wesentlichen bis auf 2-3 Ausnahmen stagniert oder abwärts tendiert, also immer weniger Fahrzeuge neu zugelassen wurden. Den Tiefpunkt bildet 2008, hier wurden offenbar am wenigsten PKW neu zugelassen.

Sehen wir uns weiterhin den Graphen detailierter für 2008 und Anfang 2009 an: Sicher werden Sie feststellen, dass im Februar ca. 50 000 PKW mehr neuzugelassen wurden als noch im Vorjahr. Allerdings müssen Sie auch einige Dinge beachten:

  1. Das Jahr 2008 war, wie bereits genannt, mit Abstand das schlechteste Jahr bezogen auf PKW-Neuzulassungen. Ein Vergleich hiermit entbehrt jeder wissenschaftlich korrekten Angabe.
  2. Herr Grünweg hat keine Bezugspunkte oder -Werte für seine Angaben gegeben, es läßt sich nicht feststellen, worauf sich sein „durch die Decke“ stützt.
  3. Trendgemäß scheint ein Anstieg der Neuzulassungen im Frühjahr zu sein; es läßt sich daraus mit Nichten eine Prognose für das gesamte Jahr oder die Wirksamkeit der Maßnahme der Bundesregierung schließen („Seit der Staat […]“). Dazu sind die Zahlen der folgenden Monate abzuwarten. Oder anders ausgedrückt: Angeblich 500 000 Prämien-Anträge bearbeitet, aber nur 50 000 zusätzliche Neuzulassungen gegenüber dem Vorjahr? Irgendwas scheint hier nicht zu stimmen.

Ich folgere somit, Herrn Grünwegs Thesen hinreichend widerlegt zu haben.

2. Merkmale subtiler Werbung Inhalt

Im Folgenden möchte ich anhand des prominenten Beispiels einige Eigenschaften selbiger Werbung herausarbeiten und versuchen, meine Aussage von oben zu untermauern. Und in eigener Sache: Studiert habe ich das nicht, bin aber als Ingenieur zur Genauigkeit erzogen worden. Halb- und Unwissen sowie mangelnde Präsizion sind Dinge, die wir uns nicht leisten dürfen.

2.1 Einleitung Inhalt

Beginnen wir mit dem ersten Absatz: Ich kann ihn aus verständlichen Gründen nicht selbst hier vollständig zitieren, der geneigte Leser möge ihn sich selbst zu Gemüte führen. Nach Lektüre sollte relativ schnell feststehen, dass der Informationsgehalt des ersten Absatzes gegen null tendiert. Wahrscheinlich gibt es sogar irgendwo eine Anna, die mit ihren 17 Jahren ein Auto sucht; daß sie aber gerade im rechten Moment für diesen Artikel im Spiegel Online dem Herrn Grünweg zur Verfügung stand, oder er sie gar beim Autosuchen begleitet hat, darf doch arg bezweifelt werden; zumindest ist für die Person der Anna keine Quelle (Nachname, Adresse, Bezug zum Redakteur) angegeben.

Wir bekommen somit einen ersten Hinweis: Ein vorrangig irrelevante Einleitung, die sich (meiner Meinung nach) wie Popcorn-Kino liest. Ich bitte das als konstruktive Kritik zu verstehen.

2.2 Hauptteil Inhalt

Der Hauptteil scheint nun den Faden der Einleitung / der Artikelzusammenfassung aufzunehmen und mit möglichst vielen Worten weitere im Grunde nicht relevante Informationen auszuliefern.

Besonders gut machen sich dafür Aussagen wie „ist XXX um YYY Prozent gestiegen“. Auch hier, wie schon oben aufgezeigt, fehlt die Referenz, der Bezugspunkt für die Prozent. Der Leser kennt nun weder die absoluten Zahlen von vorher, noch kennt er die absoluten Zahlen von nachher und kann somit den Wahrheitsgehalt nicht beurteilen.

Auch ist es sehr schwer, einem Redakteur hier eine Falschaussage nachzuweisen, er hatte ja lediglich seine Quelle zitiert (siehe die Anführungszeichen im Text). Der Informationsgehalt des Satzes allerdings tendiert, wie oben auch, gegen eine infinitesimal kleine untere Schranke.

Was hingegen in’s Auge sticht und durchaus einige Relevanz aufweist, ist die auffällige Verwendung von Markennamen („mobile.de“, „Eurotax“, usw.) im Text. Und nachdem es neben diesen Anbietern von Gebrauchtwagen und -Bewertungen offenbar noch andere Firmen in der Branche gibt, diese aber mit keinem Ton erwähnt werden, obschon sie doch ähnliche Erfahrungen durchlebt haben sollten, und gerade dies für den Leser relevant wäre (Vergleich zwischen Anbietern), darf man sich doch fragen, was denn den Redakteur motiviert haben könnte.

Die Antwort möchte ich Ihrer Vorstellungskraft überlassen.

2.3 Schluß Inhalt

Ein direkter Schluß ist im benannten Artikel nicht erkennbar, allenfalls vielleicht der letzte Satz. Dennoch versäumt es der Autor nicht, auch in den letzten Absätzen kräftig Markennamen unter’s Volk zu bringen („eBay“, „VW“, „Opel“, und andere), ohne daß das für den Leser Information bedeutete (Was heißt „Verdoppelung“? Aus eins mach zwei?).

3. Fazit Inhalt

Bislang ist der Spiegel Online das einzige Medium, in dem ich diese wenig erbauliche Entwicklung beobachten kann; aber vielleicht ist das auch eine der letzten Möglichkeiten, andere ansonsten qualitativ hochwertige Artikel bereitstellen zu können; schließlich ist nicht jeder Artikel im Spiegel Online so aufgebaut.

Vielleicht haben wir aber auch selbst daran Schuld, indem wir die Werbeblocker einsetzen und so sinnvolle Angebote um ihre Existenzgrundlage bringen; darüber sollte aber an anderer Stelle philosophiert werden.

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